Torres del Paine - Small Talk mit der Ewigkeit

"Du musst sofort kommen, mit der Kamera." ruf ich Astrid zu. Ich war nur mal kurz im Bad, da sind die Wolken plötzlich aufgezogen und offenbaren ein Bergpanorama, das uns sprachlos macht - mit aller Macht. So etwas habe ich noch nie erlebt, der Anblick ist überwältigend und tief berührend. Das Karussell tiefschürfender Gedanken geht in eine steile Kurve... 

Es sind nicht die Sagen umwobenen Torres del Paine, die uns hier kalt erwischt haben, es sind die "Horns". Sie sind einfach atemberaubend. Wie ist das möglich, wie kann die Natur so etwas erschaffen, frage ich mich. Prompt kommt die Antwort von den Horns: "Nein, niemand hat uns erschaffen, spinnst Du, wir sind die Ewigkeit ..." 

Klar, recht haben sie, niemand "erschafft" so etwas, es gibt keine "Schöpfung", dann müsste es einen "Schöpfer" oder eine "Schöpfende" geben, wie unwahrscheinlich. Es scheint mir eher fast eine Beleidigung der Natur, ihnen einen Vorgesetzten geben zu wollen. Vielleicht die Idee moderner, patriarchaler Religionen, die Welt zu hierarchisieren. Einen Anfang, ein Ende, ein Schöpfer, eine Schöpfung. Für mich ist das die Ursache aller Ungleichheit, vieler Konflikte. Ich denke, es gibt keinen Anfang und es gibt kein Ende, es gibt den ewigen Wandel, das pulsierende Dasein und die stetige Ruhe Genau die empfinde ich hier und es tut gut.

Nun denn, am nächsten Tag machen wir eine Bootstour zum Gray Gletscher. Auch wunderschön und beeindruckend. Allein das Publikum an Bord banalisiert die großen Gedanken vom Vortag ein wenig. Neben uns sitzen zwei amerikanische Rentnerpaare. Sie unterhalten sich über ihre Weltreisen, lassen nichts aus, von der Antarktis bis Timbuktu und Sibirien. Seit sie im Ruhestand sind, ist Reisen ihr Hobby. An Deck hat sich derweil ein junges Mädchen mit aufgespritzten Lippen vor dem Gletscher in Szene gesetzt. Das perfekt gestylte Haar weht perfekt im Wind, die Sonnenbrille ist umwerfend. Mit einer lasziven Geste hält sie ihr Handy fest und schürzt die knallroten Lippen zum Kussmund, bevor sie auf den Auslöser klickt. Wunderbare Außenwelten treffen wundersame Innenwelten ...

Am Abend kochen wir auf einem wundervollen Campingplatz mit kleinen Shelter-Hütten für Zelte gegen den tosenden Wind. Neben uns haben Ravensburger den Platz der bereits abgereisten anderen Berliner eingenommen, eine Schweizerin, die wir schon aus Puerto Natales kennen, gesellt sich zu uns. Die Runde ist lustig und gesprächig. Sie versöhnt mich mit der Banalität des Menschseins. Hat ja auch was Feines ...

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